Bullet Journaling für Pragmatiker

Pinterest ist voll davon – lauter perfekt durchgestylte Bullet Journals. Die Überschriften aufwendig in Handlettering gesetzt, die Einträge selbst in Schönschrift. Color Coding mit zehn verschiedenen Farben, ausgeklügelte Formulare für alle möglichen und unmöglichen Herausforderungen des Alltags, hübsche kleine Zeichnungen Doodles und Aufkleber als Illustration dazu.
Hand auf’s Herz – die Dinger sehen toll aus und lösen so ein innerliches „Ohhh, ich will auch!“-Quietschen bei mir aus.
Die hübschen Bullet Journals… und meine.
Aber… nun ja. Im Internet diese ganzen unglaublich kreativen und hübschen Bullet Journals zu sehen und dann meine eigenen daneben zu halten, ist schon ein wenig frustrierend. Die sehen nämlich bei weitem nicht so wundervoll perfekt aus und wecken allenfalls Assoziationen zu dieser herrlichen Fotostrecke „I Saw It On Pinterest So I Did It Myself… And NAILED It! 20 Hilarious Pinterest Baking Fails“. 😀
Bin ich etwa zu unkreativ? Zu ungeduldig und inkonsequent?
Tja, nö! Wenn’s schnell gehen muss, hab ich nun mal einfach eine Sauklaue. Ich streiche Einträge durch, kringele Dinge über drei Zeilen hinweg ein und male auch schon mal Pfeile quer über die halbe Seite, ohne mich um die entrüsteten Schreie der dabei hinterrücks durchkreuzten anderen Notizen zu scheren.

Ein Bullet Journal ist für mich ein Werkzeug, kein Kunstwerk. Meine Bullet Journals gewinnen keinen Designpreis, aber hey: die Dinger erfüllen ihren Zweck, und das ganz wunderbar.
Gefühlt bin ich allerdings die Einzige, die solche unperfekten Bullet Journals führt. Oder sich traut, dazu zu stehen und ganz normale, alltägliche Bullet Journals ohne Schönschrift und Verzierungen auf dem Blog zu zeigen. Daher gibt’s von mir heute mal einen Beitrag, der dem ganzen Perfektions-Hype diametral entgegengesetzt ist. 😛
Anlass dafür ist übrigens, dass mein letztes Arbeits-Bullet Journal dieser Tage voll geworden ist und ich das vorhin nochmal von vorn bis hinten durchgeblättert habe.
Bullet Journaling ist, was du daraus machst
Die Grundidee beim Bullet Journaling ist ja nun gerade Minimalismus. Irgendein Notizbuch und irgendein Stift, dazu eine Handvoll einfacher Symbole für die Notation und das Grundprinzip der verschiedenen Module. Fertig.
Was du daraus machst, ist dir selbst überlassen.
Du kannst einfach nur tägliche To Do-Listen führen, oder du kannst beliebig viele weitere Seiten anlegen – mit verschiedenen Kalendern, Merklisten, Skizzen oder was auch immer. Es kommt ganz darauf an, was du persönlich brauchst.

Schaut man sich in der Social Media-Welt und auf verschiedenen Blogs um, entsteht allerdings schnell ein ganz anderer Eindruck: nämlich, dass so ein Bullet Journal eine unglaublich aufwendige Angelegenheit ist. Dass du eine Vielzahl von Modulen benötigst, damit du auch ja immer alle nur erdenklichen Informationen nachschlagen kannst. Übersichten für Wochen und Monate und Jahre, über deine Ziele, dein Gewicht, deine Einkäufe, und und und.
Und natürlich muss das alles richtig schick aussehen! Sofern du noch kein Brush Lettering beherrschst, wird es jetzt wirklich allerhöchste Eisenbahn.
Over-Engineering in Listenform
Das Herzstück eines Bullet Journals scheinen nicht länger zu erledigende Aufgaben und Gedankenstützen zu sein, sondern teils hanebüchene Listen.
Klar, du kannst dir Listen für alles Mögliche schreiben, da gibt es überhaupt keine Limitierungen. Ich bin selber so jemand, der Dinge gerne in Listen festhält. Beispielsweise, welche Bücher ich gelesen habe. Für viele Dinge, die man sich irgendwie merken will oder muss, sind Listen einfach eine verdammt feine Sache.
Aber was ist, wenn dir nun partout keine Listen für dein Bullet Journal einfallen wollen? Dann gibt es natürlich im Internet jede Menge Inspirationen. Etwa in den „25 Ideen für dein Bullet Journal“ von But first, create oder in den „50 Collections & Lists for your Bullet Journal“ von Page Flutter: welche Restaurants du ausprobieren willst, was im Haushalt repariert werden will, Yoga-Stellungen, das Wetter, Zitate von berühmten Menschen / deinen Kindern / deinem Haustier.
Aber – brauchst du das wirklich? Oder ist das nicht vielmehr Zeitverschwendung? Musst du dir wirklich aufschreiben, wie viel Wasser du heute getrunken hast? Oder machst du das nur, weil diese kleinen Zeichnungen von Gläsern so nett ausschauen und weil so eine Liste irgendwie zu einem ordentlichen Bullet Journal „dazu gehört“?
Wie viele der Dinge, nach denen solche Listen fragen, hast du nicht eigentlich eh im Kopf? Und müssen es wirklich diese ganzen hübschen Überschriften und Verzierungen sein?
Keine Frage – es kann durchaus Spaß machen, ein Bullet Journal liebevoll zu gestalten. Aber es gibt da ja immer diesen berühmten Kosten-Nutzen-Faktor. Und bei mir geht die Rechnung spätestens dann nicht mehr auf, wenn die Pflege eines Tools mehr Aufwand verursacht, als es mir nutzt. Bin ich die Einzige, die so an das Thema Bullet Journaling herangeht?
Effizientes Bullet Journaling – wie organisiere ich meine Arbeit?
Ich führe zwei verschiedene Bullet Journals parallel, eines für meinen privaten Kram und eines für die Arbeit in der Firma.
Vor allem beim Arbeits-Bullet Journal ist der Fokus ganz klar: effizienter arbeiten. Ohne eine Aufgabe zu vergessen, Informationen zu verschludern oder Ideen erst umständlich in irgendein Mindmap-Programm tippen zu müssen, wenn ich doch einfach schnell zu Stift und Papier greifen kann.
In der Firma erfüllt mein Notizbuch also drei Aufgaben:
- To Dos notieren
- Gedankengänge und Ergebnisse aus Meetings festhalten
- Notizen für mich selber aufschreiben
Und daher habe ich mein Bullet Journal so aufgebaut, dass es ganz genau diese drei Bereiche abdeckt. Nicht nach Schema F.
Auf was verzichte ich in meinem Bullet Journal?
Was ich auf der Arbeit zum Beispiel gar nicht im Bullet Journal brauche, sind Termine. Meetings werden bei uns elektronisch organisiert, sodass mein digitaler Kalender immer auf dem neusten Stand ist. Da brauche ich mir die Termine nicht nochmal auf Papier zu übertragen, das wäre nur unnütze Arbeit.
Um auf dem Weg von einem Meetingraum zum nächsten zu wissen, wo ich überhaupt hin muss, nehme ich halt immer mein Smartphone mit. Daher: keine Weekly Logs, keine Monthly Logs, keine Jahresübersichten.
Übersichten über den Fortschritt eines Projekts gehören für mich ebenfalls nicht ins Bullet Journal. Denn dort würde nur ich sie sehen können – und nicht der Rest des Teams. In Sachen Transparenz wäre das kontraproduktiv.
Regelmäßig ergänzte Listen gibt es in meinem Arbeits-Bullet Journal ebenfalls nicht.
Und was ist dann drin?
Ein ganz essentieller Bestandteil sind tägliche To Do-Listen. Wenn ich morgens ins Büro komme, schlage ich als erstes mein Bullet Journal auf und beginne eine Liste für den neuen Tag. Die Überschrift ist dann einfach das Datumskürzel („Mo, 27.2.“), mit einem Textmarker hervorgehoben.
Dabei schreibe ich zuerst die Dinge auf, die ich an diesem Tag erledigen will. Als nächstes folgen die Überträge vom Vortag – was da nicht fertig geworden ist und sich über Nacht leider nicht von selbst erledigt hat, ist dann halt heute dran. Erst danach rufe ich meine Emails ab und gucke in den Instant Messenger, was sich hier noch alles für To Dos ergeben haben.
Ebenso wichtig sind Themenseiten zu Meetings. Ja, ich habe viele Meetings. 🤓 Für jedes Meeting beginne ich eine neue Seite. Als Überschrift packe ich das Thema und das Datum drüber und markiere auch das wieder mit einem Textmarker. In Meetings mache ich mir oft stichpunktartige Notizen – und nein, das ist dann nun wirklich keine Schönschrift. 😀

Immer mal wieder kommt es vor, dass ich mir zwischendurch einfach mal ein paar Zahlen aufschreiben muss oder einen groben Entwurf skizziere. Dafür nutze ich einfach den freien Platz auf früheren Seiten, die ich nicht mehr brauche – beispielsweise rechts neben alten To Do-Listen.
Welche Notationshilfen haben sich bewährt?
Wie gesagt, Überschriften habe ich mit einem Textmarker hervor. Da verwende ich in der Regel auch immer die gleiche Farbe – aus dem einfachen Grund, dass ich halt genau einen Textmarker auf meinem Schreibtisch zu liegen habe. 😉
Jedes Meeting beginnt bei mir auf einer eigenen Seite. An den äußeren oberen Seitenrand füge ich dabei ein eingekringeltes Kürzel hinzu, damit ich beim Zurückblättern später schnell die gesuchten Informationen finde. Dabei reicht mir eine grobe Klassifizierung – bloß kein Over-Engineering! Insgesamt verwende ich vier verschiedene Kürzel für unterschiedliche Projekte und Aufgabenbereiche, das reicht mir.
In Sachen Auflistungszeichen komme ich mit vier Symbolen aus:
- einfache Punkte kennzeichnen To Dos
- Gedankenstriche stehen für, nun ja, Gedanken / Informationen
- eine spitze Klammer > kennzeichnet ein To Do, was auf eine spätere Liste verschoben wurde
- Termine notiere ich mit einem dicken Kringel
Manchmal gibt es wirklich wichtige Einträge, die ich auf jeden Fall auch später noch öfter heraussuchen will. Beispielsweise stehe ich total auf diese kleinen Modelle, die irgendeine Theorie illustrieren. 😀 Diese Zeichnungen bekommen einen langen Textmarkerstrich an der Seite.
Zeig her dein unperfektes Bullet Journal!
So, jetzt bist du dran! 🙂
Führst du ein Bullet Journal? Und wenn ja, Hand aufs Herz: sieht es bei dir immer so hübsch gestaltet aus wie auf Pinterest? Welche Module verwendest du und welche haben sich für dich als überflüssig erwiesen? Auf welche Inhalte schwörst du?
Ich würde mich freuen, mehr unperfekte Bullet Journals aus dem echten Leben zu sehen. :o)